Anschläge in Suhl und Sondershausen zeigen Ausmaß an gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit

Astrid Rothe-Beinlich kritisiert fehlende Willkommenskultur und Ausgrenzung von Asylsuchenden in Thüringen

Auf die Suhler Außenstelle der Thüringer Erstaufnahmeeinrichtung für Asylsuchende ist in der Nacht zum Sonntag, 10.08.2014, ein Anschlag verübt worden. So zerstörten unbekannte Täter mit einem Stein die Fensterscheibe der Gemeinschaftsküche und zündeten zudem die Verkabelung eines Lichtmasts an. In derselben Nacht schändeten Neonazis den jüdischen Friedhof in Sondershausen. Dazu erklärt Astrid Rothe-Beinlich, flüchtlingspolitische Sprecherin der Thüringer Landtagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:

„Die erschreckenden Anschläge in Suhl und Sondershausen zeigen wieder einmal, dass Rassismus, Antisemitismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in Thüringen leider immer noch weit verbreitet sind. Dabei ist es nur glücklichen Umständen zu verdanken, dass es in Suhl keine Verletzen gab und Schlimmeres verhindert wurde. Der Anschlag kam jedoch wahrlich nicht unerwartet, da Rassisten und Neonazis seit einigen Jahren gezielt vor Flüchtlingsunterkünften oder in Orten, in denen Flüchtlinge und AsylbewerberInnen untergebracht werden, demonstrieren, protestieren und immer wieder provozieren. Diese bedienen sich dabei rassistischer Stereotype und schüren sukzessive ein Klima der Angst und Unsicherheit. Viele Flüchtlinge leiden massiv unter dieser Form der Bedrohung, Abwertung und Diskriminierung. Hinzu kommt, dass sie mancherorts auf eine Bevölkerung treffen, die damit nicht adäquat umzugehen weiß. Wir jedenfalls fordern hier umfassende Aufklärung zu jedem dieser Vorfälle.“

Die grüne Landtagsabgeordnete hat erst vor wenigen Tagen eine parlamentarische Anfrage an die Landesregierung zur Problematik rassistischer Demonstrationen und Kundgebungen vor Flüchtlingsunterkünften auf den Weg gebracht.

Rothe-Beinlich weist weiter darauf hin, dass es die Thüringer Landesregierung bisher versäumt hat, ein Klima zu schaffen, welches von Willkommenskultur und einer an humanitären Grundsätzen orientierten Flüchtlingspolitik geprägt ist. „Da helfen leider auch keine Lippenbekenntnisse in Sonntagsreden oder Regierungserklärungen. Die derzeit praktizierte Unterbringung in vorrangig zentralisierten Gemeinschaftsunterkünften trägt beispielhaft einen gehörigen Anteil zur Verfestigung von rassistischen Ressentiments in der Bevölkerung bei. Anstatt die in Thüringen vorhandenen Formen der Ausgrenzung endlich zu beenden und beispielsweise auf dezentrale Unterbringung zu setzen, setzt die Landesregierung wider aller Empfehlungen auf die Gemeinschaftsunterbringung und will nach einem vorliegenden Verordnungsentwurf neu zu schaffende Plätze künftig sogar nur in Gemeinschaftsunterkünften finanziell fördern. Insgesamt vermissen wir ein grundsätzliches Umdenken in der Asyl- und Flüchtlingspolitik und einen aufgeschlossenen Umgang mit Menschen, die aus anderen Ländern und mit unterschiedlichsten Gründen zu uns kommen. Die Diskriminierung von Gesetzes wegen kann und darf nicht länger handlungsleitend in Thüringen sein. Auch das Vorenthalten einer menschenwürdigen medizinischen Versorgung und der diskriminierende Ausschluss vieler Asylsuchender vom Arbeitsmarkt sind Regelungen, die dringend abgeschafft gehören“, so Rothe-Beinlich weiter.

„Erst gestern gab es wieder Proteste der Bewohnerinnen und Bewohner in der Erstaufnahmeeinrichtung für Asylsuchende in Eisenberg. Diese beklagen massive Probleme bei der ärztlichen Versorgung, eine unzureichende Versorgung mit Lebensmitteln und die Einschränkung der persönlichen Freiheiten, wie das Verbot sich frei in Thüringen zu bewegen. Denn die Residenzpflicht gilt für sie als Bewohnerinnen und Bewohner der Erstaufnahmeeinrichtung auch nach deren Abschaffung in Thüringen. Auch halten noch immer die Landkreise Greiz und Weimarer Land an der diskriminierenden Praxis der Ausreichung von Lebensmittelgutscheinen fest, statt Bargeld an die Menschen auszugeben“, so Rothe-Beinlich weiter, die dringend für einen Politikwechsel hin zu einer humanen Flüchtlingspolitik plädiert.

„Eine echte Willkommenskultur, die wirklich alle Menschen und damit auch AsylbewerberInnen und Flüchtlinge einbezieht, ist leider bisher nicht zu erkennen. Leider hält auch die Bundesregierung an ihrer Abschreckungs- und Diskriminierungspolitik in Sachen Asyl fest. So lassen ein stichtagsunabhängiges Bleiberecht, echte Teilhabe am Arbeitsmarkt, ein Ende der Optionspflicht und die doppelte Staatsbürgerschaft, sowie die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes, welches die Asylsuchenden in Deutschland diskriminiert, isoliert und von sozialer Teilhabe ausschließt, weiter auf sich warten.“

Die bündnisgrüne Migrationspolitikerin weist zudem darauf hin, dass auch der Freistaat Thüringen eine Reihe von diskriminierenden gesetzlichen Regelungen aufrechterhält.

„Zwar wurde kürzlich die Aufhebung der Residenzpflicht im Freistaat angekündigt. Das kann jedoch nur der Anfang gewesen sein. So werden immer noch zu viele Flüchtlinge und deren Familien in desolaten Gemeinschaftsunterkünften untergebracht, statt dezentral in Wohnungen. Auch sollten wir den syrischen Familienangehörigen, die bereits hier lebende Verwandte haben und zu uns aus dem Bürgerkriegsgebiet flüchten, ohne Auflagen einen Aufenthalt in Thüringen ermöglichen und nicht wie die Landesregierung eine Aufnahme von den materiellen Verhältnissen der Flüchtlinge abhängig machen“, schließt Rothe-Beinlich.



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